Saturday, June 04, 2005

Kapitalismusdebatte(n)?

In den letzten Monaten könnte man fast den Eindruck gewinnen, dass medial wieder so etwas wie eine Kapitalismusdebatte im Gange ist.
Ursache dafür für diesen Denkanstoß, der leider keiner ist, ist wahrscheinlich die Jubiläumseuphorie gekoppelt mit den Geschehnissen in in den anderen EU-Staaten.

aus den Tagbüchern des Andreas Unterberger:

"Fronleichnam: ein Tag, an dem das alpine wie das städtische Österreich gerne in seinem schönsten Glanz erstrahlt. An dem das katholische Österreich seine Botschaft mit Selbstbewusstsein auf die Straßen trägt. Etwas rätselhaft, warum der Wiener Erzbischof den Tag nutzt, um gegen einen schrankenlosen Kapitalismus zu wettern. Sieht er den am Ende in Österreich, wo fast die Hälfte aller Einkommen vom Staat weggenommen werden? Weshalb sagt er, dass der globalisierte Markt nicht die Orientierung einer menschengerechten Wirtschaft sein kann: Will er ihn abschaffen? Weiß er nicht, dass der Markt kein Wertesystem, sondern der effizienteste und gerechteste Mechanismus für die Erzeugung und Verteilung von Waren ist? Soll künftig jedes Land selbst seine Fernsehgeräte, Autos, T-Shirts und Computerprogramme herstellen, was diese fünfmal teurer und damit die Menschen fünfmal ärmer macht? Was meint er eigentlich mit "katholischer Soziallehre" konkret: die Ordnung des Ständestaates – oder etwa das (notwendigerweise) durchaus kapitalistische Wirtschaften der großen Stifte? Werden etwa von kirchlichen Arbeitgebern keine Mitarbeiter "freigesetzt"?

Sooft man aber auf solche Aussagen kirchliche Erläuterungen erbittet, bekommt man zu hören, dass die Kirche kein wirtschaftswissenschaftliches Institut sei. Absolut richtig. Aber dann sollte sie vielleicht auch mit einschlägigen Aussagen vorsichtig sein. So wie die Kirche ja einst ebenso schmerzhaft lernen musste, dass auch Physik und Astronomie nicht ihre Arbeitsgebiete sind."



Sehr treffend in meinen Augen.

Doch nicht nur der liebe Herr Schönborn, auch Menschen, von denen man glauben möchte, dass Ökonomie durchaus zu den Arbeitsgebieten gehören sollte, glänzen in dieser öffentlichen Debatte mit Unwissen. Ein sehr treffliches Beispiel für den einfältigen Charakter der Diskussionen rund um DIE Globalisierung (als ob es ein kürzlich verabschiedetes Gesetz wäre...) war das letzte Philosophicum im ORF. Sehr bezeichnend war schon das Motto, unter das die Stunde (die wie immer viel zu schnell vergangen ist - so wird die Moderation meistens beendet.) gestellt wurde: "Was kostet uns der Kapitalismus?" Sie hätten auch fragen können: "Was kostet uns unsere Existenz?" oder "Wieviel Intelligenz ist gut für die Menschheit?" Was soll das?

Auf der linken Seite als Protagonisten der Dahabensiedurchausrechtichhabejedochmeinebedenken-jetztaberbittenichtnachfragen-Fraktion traten für die Abteilung Philosophie Prof. Heintel aus Klagenfurt und in der Kategorie NGO Fräulein Staritz von Attac an. Sie ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der WU Wien. Sie ist ein Typ von der Sorte Glaschwischnig, die ja bei Global2000 war, bevor sie aus Marketinggründen in die hohen Kreise des Clubs kam. Es gibt einige kluge Köpfe unter den Grünen. Warum auf Bundesebene jedoch Van der Bellen der einzig erträgliche ist, verstehe ich einfach nicht. Aber zurück zu Frau Staritz. Es würde mich nicht wundern, wenn auch sie sich eines Tages den Weg in den Nationalrat ebnen kann oder zumindest bald mal bei eifrigen Wahlkämpfen anzutreffen sein wird. Ihre Schwerpunkte in diversen Publikation:

MMag. Cornelia Staritz (wissenschaftliche Mitarbeiterin)

Internationale Finanzmärkte
Politische Ökonomie
Entwicklungstheorie- und politik

Die Marktwirtschaft wurde auf der rechten Seite verteidigt vom Manager Raidl / Böhler-Uddeholm und dem Journalisten Schwarz von der Wirtschaftsredaktion der NZZ. Der ORF hält diese räumliche Teilung in links und rechts offenbar für sinnvoll - so weiß der Zuseher gleich: Spricht einer von dieser Seite: wohlwollend nicken. Spricht einer von der anderen Seite: Grummelnd den Kopf schütteln. - Bildungsauftrag öffentl.-rechtl. Medien, aha.
Man sollte meinen, dass für die "staatliche Antikap-elite" zwei praktizierende Denker aus dem Nimmerland kein Problem sein sollte. Doch dem war nicht so. Der Redakteur der einzig liberalen Tageszeitung im deutschen Sprachraum konnte jedes eizelnde Argument der keifenden, niedlichen Attacerin entschärfen, ohne sich seine Krawatte zu richten. Und auf grundsätzliche Aussagen seiner Wenigkeit wie "Ein großes System kann nur dereguliert funktionieren" wurde gar nicht eingegangen. Sie hat nur ein paar Versuche gestartet, sich an irgendwelchen Nebensätzen hochzuziehen, was auch eher verzweifelt wirkte. Und der Prof. Heintel hat sich nach seinem offenbar im Voraus verfassten Kommentar ohnehin ganz aus der Debatte zurückgezogen.
Etwa nach der halben Sendezeit kamen eigentlich nur noch trotzige Gegenfragen wie "und warum sterben dann so viele arme Leute in so vielen Ländern?" Das vielleicht einzig vernünftige Argument von ihrer Seite war, dass es in einigen Ländern zu einem Schuldenerlass in Teilbereichen kommen sollte. Auch auf der liberalen Seite gab es hier keine Einwände, jedoch eine angebrachte Relativierung.
Mit der Frage "Was kostet eigentlich der Kapitalismus?" konnte zum Glück keiner der Anwesenden etwas anfangen.

3 Comments:

Anonymous Anonymous said...

jo, volle zustimmung.

5:34 AM  
Blogger Flaubert said...

Das gestrige "Offen gesagt" war mindest genauso dümmlich - mit dem Unterschied, dass kein NZZ-Journalist zugegen war und die ATTAC-Vertreterin anders hieß.

1:34 AM  
Blogger Gilb said...

Schade, ich war leider beim Big Band-Konzert, war zwar auch lustig, aber halt nicht gleichzeitig auch zum kotzen, wie "offen gesagt". Wer war Moderator? Armin Wolf ist mir von allen noch der liebere. Er versteht wenigstens, was er selber sagt. Big Band - einfach nur gut. Hättest mitkommen sollen. Allderdings wäre mir diese Musik auf Dauer zu heiter. Zu shakig.

4:13 AM  

Post a Comment

<< Home